19. Tagung der Kommission Arbeitskulturen in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde (dgv), 11.–12. November 2021, Online.
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Call for Papers
Organisationen werden zunehmend Gegenstand moralischer Debatten. Boykottaufrufe, betriebsinterne Entwicklungen von Compliance– oder Social-Responsibility-Standards, Labels für Familienfreundlichkeit oder Nachhaltigkeit, das geplante Lieferkettengesetz – dies sind nur einige Beispiele der jüngeren Vergangenheit, in denen Organisationen (darunter auch kleine und mittelständische Unternehmen oder NGOs) hinsichtlich ihrer moralischen Praxis und ethischen Grundsätze adressiert werden. Die moralische Positionierung von Organisationen umfasst ein breites Themenspektrum, das von Rassismus, Diversität, Umweltbelastung oder Tierschutz bis hin zu Korruption, Einkommensungleichheit und Arbeitsrechten entlang der Lieferkette reicht. Sie wird öffentlich diskutiert und dient als Grundlage für Entscheidungen von (Geschäfts-)Partner:innen, Kund:innen und Politik.
Die Forschung fokussiert bislang insbesondere die Fragilität von Organisationen sowie die Perspektiven von Kund:innen, Organisationen und weiteren Interessensgruppen unter dem Label des „ethischen Konsums“ oder vis-à-vis der Fragilität von Organisationen. Weniger Beachtung finden die Auswirkungen und Effekte dieser Prozesse auf spezifische Akteur:innen, die in oder für Organisationen arbeiten, sowie deren Rolle in der Erarbeitung oder Vermeidung von Moral als Praxis in Organisationen.
Entsprechend zielt die Tagung darauf, Beiträge zu den subjektiven Perspektiven von Akteur:innen auf die Moralisierung von Organisationen und auf Moral als organisationale Praxis zu versammeln. Dabei rücken Akteur:innen unterschiedlicher Arbeits- und Lebenswelten in den Mittelunkt: Angestellte sowie feste, freie oder „geliehene“ Beschäftigte und solche in Zulieferfirmen, weiterhin Kund:innen und andere Interessenvertreter:innen.
Die Tagung fragt danach, wie die Akteur:innen betroffen sind von Diskursen über Moral, wie sie sie kreieren, deuten, bestätigen oder ihnen mit Widerständigkeit begegnen. Darüber hinaus zeigen sich Fragen danach, wie solche Diskurse Organisationskultur, Einstellungspraktiken, Arbeitsstandards oder Beschäftigungsmodalitäten verändern.
Wir laden interessierte Personen aus den ethnografischen Disziplinen und benachbarten Feldern, inklusive der Museen, zur Präsentation ihrer Forschungsarbeiten und gemeinsamer Diskussion folgender und weiterer Fragen ein:
- Wie positionieren sich Akteur:innen in konkreten Arbeits- und Alltagskontexten in moralischen Debatten über Organisationen? Welche Praktiken wenden sie an, um sich zu organisieren (z.B. in Gewerkschaften), um gegen wahrgenommene unmoralische Organisationspraktiken vorzugehen? Wie gelingt es Akteur:innen (z.B. als „norm brokers“) Organisationen in moralischen Debatten zu positionieren?
- Inwiefern sind Arbeitnehmende durch Maßnahmen herausgefordert, die innerhalb von Organisationen oder im Kontakt mit Partner:innen oder Kund:innen mit moralischen Debatten verbunden sind (z.B. Antidiskriminierungstrainings, Antikorruptionsregeln, Nachhaltigkeitsforderungen, Bewerber:innenauswahl oder Mitarbeitendenpartizipation)?
- Wie und von wem werden Beschäftigte, auch Selbstständige, in öffentlichen, medialen, persönlichen Debatten und in politischen Prozessen angesprochen und dargestellt? Welche Leitbilder von Arbeitnehmenden und des Arbeitens entwerfen solche Debatten?
- Wie prägen moralische Diskurse Organisationen und wie nutzen Organisationen diese, um bestimmte Entscheidungen zu beeinflussen oder zu rechtfertigen?
Die Vorträge sollten auf empirischer Forschung beruhen und nicht bereits an anderer Stelle veröffentlicht worden sein. Eine Veröffentlichung der Tagungsbeiträge ist geplant, eine Beteiligung der Tagungsteilnehmenden ist erwünscht. Tagungs- und Publikationssprachen sind je nach Eingang der Themenvorschläge und beteiligten Personen Deutsch und/oder Englisch.
Deadline
Bitte senden Sie Ihren Themenvorschlag (mit Titel, Abstract von max. 300 Wörtern, Kontakt und Kurz-CV) bis zum 1. April 2021 an: arbeitskulturen@gmail.com
Organisation
- Sarah May, University of Freiburg (sarah.may@kaee.uni-freiburg.de)
- Johannes Müske, University of Freiburg (johannes.mueske@zpkm.uni-freiburg.de)
- Stefan Groth, University of Zurich (stefan.groth@uzh.ch)
Veranstalter
Albert-Ludwigs-University Freiburg
Kontakt
Email: arbeitskulturen@gmail.com
Website: http://organization.dgv-arbeitskulturen.de